Hallo, mein Name ist Marco Stoll. Ich bin Meteorologe bei MeteoSchweiz. In diesem Modul befassen wir uns mit Niederschlag, Bodenfeuchte und Grundwasser. In diesem Video wird es um Niederschlag gehen; welche Arten von Niederschlag gibt es und wie entsteht er. Aber was ist genau Niederschlag? Unter dem Begriff Niederschlag verstehen wir Wasser, das in flüssiger oder fester Form aus Wolken fällt oder sich direkt aus der Luft auf der Erdoberfläche ablagert. Mit der Erdoberfläche sind natürlich nicht nur Berge, Wälder, Wiesen, Acker und Gewässer gemeint, sondern auch Gebäude und alles, was auf der Erdoberfläche lebt und sich bewegt. Auch wir Menschen, natürlich. Wie die Definition sagt, kann Niederschlag aus Wolken kommen, muss aber nicht. Niederschlag nennen wir es auch, wenn sich Luftfeuchtigkeit, also Wasserdampf, direkt aus der Luft auf Oberflächen ablagert, zum Beispiel als Tau. Oder wenn es kälter ist, als Reif, was gefrorener Wasserdampf ist. Oder Raureif, was gefrorener Nebel ist. Der meiste Niederschlag kommt aber aus Wolken. Was schätzen Sie, wieviel Niederschlag gibt es wohl pro Jahr in der Schweiz? Sind es 60 Millionen Tonnen? 600 Millionen Tonnen? Oder 60 Milliarden Tonnen? Es sind 60 Milliarden Tonnen Wasser, die sich jährlich über die Schweiz ergießen, das ergibt ungefähr die Wassermenge des Bodensees. Diese Niederschläge variieren natürlich stark sowohl im Raum, als auch in der Zeit. Doch dazu später mehr. Zuerst wollen wir verstehen, wie Niederschlag überhaupt entsteht, und dazu müssten wir die Wolken genau anschauen. Wolken entstehen dann, wenn Luft aufsteigt, sich abkühlt und deren Inhalt in Wasserdampf kondensiert. Wolken bestehen aus flüssigen oder festen Wasserteilchen, oder beiden zusammen. Wolkentropfen sind mehr oder weniger runde bis ovale Gebilde mit einer Größe von einigen wenigen bis etwa 400 Mikrometern. Die Eisteilchen sind ähnlich klein, doch ihre geometrischen Formen sind sehr vielfältig. Etwas haben wir noch vergessen: Wolkenteilchen bestehen nie aus reinem Wasser. Die Wassermoleküle heften sich an einem sogenannten Kondensationskeim an, auch Kondensationskern genannt. Dieser erleichtert ihnen den Phasenübergang von gasförmig zu flüssig oder fest. Typische Beispiele von Kristallisationskeimen, die man in Wolkenteilchen findet, sind Salzkörnchen, Staubteilen, Rußpartikeln, Pollen oder Pilzsporen. In der Luft finden wir also neben Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid und anderen Gasen auch Wasserstoffmoleküle und Kondensationskeime. Ist der Übersättigungsgrad in der umgebenden Luft hoch genug, heften sich mit der Zeit immer mehr Wasserteilchen an den Kondensationskeim. Es bilden sich Lösungströpfchen. Viele dieser Lösungströpchen verbinden sich zu einem Wolkentropfen. Die Anzahl Tropfen variiert. In einer jungen Wolke sind es mehrere hundert bis mehrere tausend pro Kubikzentimeter, wobei die kleinen Tropfen zahlenmäßig überwiegen. Durch ihre Bewegungen stoßen die Tropfen zusammen und vereinen sich zu einem noch größeren Tropfen. Damit nimmt das Gewicht zu, so dass sie schließlich durch die umgebende Luftmoleküle oder selbst durch einen Aufwind in der Wolke nicht mehr getragen werden. Sie fallen als Niederschlag aus der Wolke heraus. Der eben beschriebene Vorgang wird warmer Regen genannt, weil nie die Eisphase involviert ist. Folgedessen muss es einen weiteren Bildungsmechanismus für kalten Regen geben. Dieser beginnt tatsächlich mit einem direkten Phasenübergang von Wasserdampfmolekülen zu Eiskristallen, wobei auch hier wieder Kristallisationskeime involviert sind. Der Vorgang kann in einer reinen Eiswolke in großer Höhe passieren, oder in einer Mischwolke, deren Temperaturregime gleichzeitig auch die Bildung von Wolkentröpfchen unterstützt, und nun wird es kompliziert. Eiskristalle können wachsen, zusammenklumpen und zu Schneeflocken werden. Wolkentröpchen können verreifen, das heißt sich an Eisteilchen anheften, und dann selbst zu Eis erstarren. Fester Niederschlag kann entweder als Schnee auf den Boden fallen, oder als Graupel oder Hagel, oder aber hat genügend Zeit, auf dem Weg von der Wolke zum Boden wieder zu schmelzen. Dann fällt er als kalten Regen. Die Höhenlage der Schneefallgrenze spielt also eine entscheidende Rolle, in welchem Aggregatszustand die Niederschlagsteilchen letztendlichen landen. Und die Schneefallgrenze wiederum hängt von den gerade herrschenden Wetterbedingungen, in erster Linie vom Wärmegehalt der Luft, ab. Auf der Höhe der Nullgradgrenze beginnen die Eisteilchen zu schmelzen. Bis alle fallenden Teilchen geschmolzen sind dauert es einen Moment. Im Normalfall liegt die Schneefallgrenze etwa 200 Meter tiefer als die Nullgradgrenze. Wir verzichten hier auf weitere Details und überlassen diese den Meteorologen. Für das Verständnis des weiteren Kurses reicht es aus, die verschiedenen Arten vom fallenden Niederschlag zu kennen. Hier ist also zunächst eine Übersicht über die flüssigen Niederschlagsarten. Gleichmäßigen dichten Niederschlag mit sehr kleinen Tropfendurchmessern bezeichnet man als Sprühregen. Größere Tropfen von 0.5 bis 5 Millimeter Durchmesser bezeichnet man als normalen Regen, wobei die Intensität mit leicht, mäßig oder stark charakterisiert wird. Im Winter, wenn der Boden und die am Boden aufliegende Luft Minusgrade aufweisen, können die flüssigen Tropfen beim Aufprall auf dem Boden sofort gefrieren. Das nennt man gefrierenden Regen oder Sprühregen. Bei den festen Niederschlagsarten unterscheidet man den Schnee von Griesel, Graupel und Hagel. Letztere unterscheiden sich vor allem durch ihre Korngrößen sowie ihre Beschaffenheit. Zum Schnee zählt man einzelne Eiskristalle, große Schneesterne oder zusammen geklumpte Aggregate dieser Formen- die Schneeflocken. Bei der Niederschlagsbildung haben wir uns bislang auf die mikrophysikalischen Aspekte konzentriert. Aber auch auf größerem Maßstab gibt es verschiedene Gründe, warum Wolken und folglich Niederschlag entstehen können. Steigt an einem strahlungsreichen Tag die am Boden erwärmte Luft auf, entstehen zunächst einmal Quellwolken. Wenn die höheren Luftschichten genügend instabil sind, können diese Quellwolken zu Gewittern heranwachsen. Den so produzierten Niederschlag nennen wir konvektiven Niederschlag, weil sehr starke Vertikalbewegungen involviert sind. Im Gegensatz zum konvektiven Niederschlag wird beim strathiformen Niederschlag die Luft nur sehr langsam und über weniger große Höhenbereiche angehoben, zum Beispiel, wenn warme Luft auf eine kältere aufgleitet, wie dies bei einer Warmfront der Fall ist. Wird die Luft an einem Hindernis, wie beispielsweise einem Gebirgszug zum Überströmen gezwungen, so kühlt sie sich beim Aufsteigen ab und das in ihr enthaltene Wasser beginnt zu kondensieren. Ist die Luft genügend feucht, kann Niederschlag ausfallen. Man nennt ihn in diesem Fall orographischen Niederschlag. In der Natur treten die drei verschiedenen Prozesse meist in gemischter Form auf. Selten beobachtet man rein strathiformen oder rein orographischen Niederschlag. Die Übergange von der einen zur anderen Niederschlagsform sind fließend und wirken zusammen. Fassen wir zusammen: Wir haben den Kreislauf des Wassers rekapituliert und uns dann mikrophysikalisch mit der Wolken- und Niederschlagsbildung beschäftigt. Anschliessend haben wir die verschiedenen Niederschlagsarten beschrieben und großräumige Prozesse kennengelernt, wie Wolken und Niederschlag entstehen können. Im nächsten Video wird Jan Seibert erzählen, wie sich der Niederschlag im Raum und Zeit verändert.